Orgel

 Bei der Spielberger Orgel handelt es sich um ein sehr interessantes Denkmalstück. Sie wurde 1831 im Zuge der Erweiterung des Kirchengebäudes angeschafft und kommt aus der Werkstätte der Rastatter Orgelbauerfamilie Stieffell (Nachkommen von Schülern des Elsässer Orgelbauers Andreas Silbermann), aus der beispielsweise auch die Orgel der Ludwigskirche in Langensteinbach, die Chororgel der Herz-Jesu-Kirche in Ettlingen und die Orgel der Andreaskirche in Dietlingen stammen.

 

Verschiedene Indizien sprechen dafür, dass zumindest Teile der Orgel auf eine Zeit vor 1831 zu datieren sind. Vermutlich verwendete man zum Bau unserer Orgel Teile einer älteren, größeren Orgel (ein sogenanntes Rückpositiv) aus den Jahren 1810 - 1812.

 

Ursprünglich hatte die Orgel 8 Register (Pfeifenreihen), verteilt auf ein Manual mit 54 Tasten und ein Pedal mit 18 Tasten.

 

Nach dem seinerzeitigen Angebot der Brüder Franz-Christian und Max-Ulrich Stieffell, Söhne von Ferdinand Stieffell (1737-1818), waren die Prospektpfeifen „von gutem englischen Zinn, zu Ansicht schön poliert“, der „Kasten“ (das Orgelgehäuse) „von gutem eichen Holz, alles Angehang der Ventille, die Federn der Abstrakten (mechanische Übertragung von den Tasten zu den Ventilen unter den Pfeifen), die Schrauben am Clavier (Tastatur) von Mössing Draht“.

Die Tastatur wurde  „von schwarzem Ebenholz, die Soemitoen (Halbtöne) mit weißem Bein garniert“, hinzu kamen  „2 Blasbälg,  jeder 7 Fuß lang und 4 Fuß breit; auch mit dem besten französischen Schaafleder beledert“.

 

Zum damaligen Kaufpreis von 750 Gulden kamen noch Nebenkosten, wie „Herschaffung von Rastatt mit 3 Großradwägen wegen Übernachtung, für Zehrung der Fuhrleute, Thor und Straßengeld  5 Gulden 27 Kreuzer, ferner Jacob Dietz wegen Fortführung der H. Orgelmacher auf Rastatt 2 Gulden 2 Kreuzer, ferner dem Schreinermeister Karcher für ein Verschlag an der Orgel 1 Gulden 45 Kreuzer“.

 

Zwischen 1883 und 1910 erfuhr die Orgel entsprechend dem jeweiligen Zeitgeschmack mehrere klangliche Umarbeitungen, Pfeifenreihen wurde umgebaut oder ersetzt, um zum Beispiel den Klang grundtöniger und weicher zu machen.  

Nach einem Gutachten des Großherzoglichen „Orgelcommissärs“ Andreas Barner aus dem Jahr 1893 war die Orgel „noch ziemlich gut und im Ganzen gut in Stand gehalten“. Seine Empfehlung, die ursprünglich zum Ziehen eingerichteten Blasebälge zum Treten umzubauen, „dass der Orgelton nicht mehr zitternd und wehklagend sondern stark und ebenmäßig klingen kann“, wurde 1910 realisiert.

 

Einen schweren Schicksalsschlag erlitt die Orgel  am 4. Mai 1917, als die wertvollen Prospektpfeifen „infolge Beschlagnahme“ als Rohstoffquelle für Rüstungszwecke ausgebaut wurden. 1920 wurden diese dann durch billige „aluminierte Zinkpfeifen“ ersetzt.

 

Bis zu dieser Zeit enthielt die Orgel eine rein mechanische Spieltechnik (Traktur), sowohl für die Tasten (Übertragung zu den Pfeifen), als auch für die Register (Zuschalten der einzelnen Pfeifenreihen über „Schleifladen“). Auch die Blasebälge wurden mechanisch betätigt. Mit Einführung der Elektrizität entsprach dies natürlich nicht mehr dem modernen Stand.

So wurde die Orgel im Jahr 1921 durch die Durlacher Orgelbaufirma Voit & Söhne unter Verwendung des vorhandenen Gehäuses und der Pfeifen völlig neu gebaut und dabei um ein zweites Manual ergänzt. Möglich wurde dies durch Einbau von Platz sparenden pneumatische Schaltungen anstelle der bisherigen rein mechanischen Traktur.

Die Tretbälge, welche die Luft für die Pfeifen und nun auch für die Pneumatik zu liefern hatten, wurden durch ein elektrisches Gebläse ergänzt.

 

Leider erwies sich dieser Umbau auf pneumatische Schaltung als nicht sehr glücklich. Sehr bald zeigte sich die nach damaligem Stand fortschrittliche Technik als sehr störanfällig und verlangte trotz wiederholter Sanierung sowohl den Organisten als auch der Gemeinde sehr viel Geduld ab. Angesichts knapper Kassen befasste man sich erst 1972/1973 mit dem Gedanken, die Orgel grundlegend zu sanieren, bis schließlich die Orgelbaufirma Georges Heintz, Schiltach den entsprechenden Auftrag erhielt.

Die Orgel wurde hierzu komplett zerlegt und mit großer Akribie von Grund auf restauriert und fehlende Teile rekonstruiert. Sie  erhielt wieder das äußere Erscheinungsbild, die Technik und den Klang der ursprünglichen Orgel von 1831, ergänzt durch einige weitere Register, deren Pfeifen in Abstimmung mit dem Denkmalschutz nach alten Plänen von Ferdinand Stieffell in handwerklicher Arbeit nachgebaut wurden. Die in den siebziger Jahren noch beschränkte Raumhöhe gestattete es wegen des Platzbedarfs für die nun wieder mechanische Spieltraktur allerdings nicht,  das seit 1920 ergänzte zweite Manual beizubehalten.  

 

So hat unsere Orgel seit 1977 wieder wie im Originalzustand 1831 ein Manual und ein Pedal mit folgender Disposition *):

 

Principal 8’ Coppel 8’ Sollicional 8’ Octav 4’ Flöte 4’ Principal 2’ Quinte 2 2/3’ Mixtur 1’ 3-fach Cornett 5-fach (ab c’)

Subbass 16’ Oktavbass 8’ Posaune 8’ Pedalkoppel

 

[Der erste Standort der Orgel war auf einer Empore des Turmgebäudes, direkt über dem Haupteingang. Beim Kirchenumbau 1980/1981 erhielt sie nach Öffnung der Wand zur Sakristei den jetzigen, genau gegenüberliegenden Platz.]

 

*) die Register (Pfeifen-Reihen) werden in „Fuß“ angegeben. Je kürzer eine Pfeife, desto höher der Ton.

Bei Registern mit  „Normal-Tonhöhe“ hat die tiefste (längste) Pfeife, also das tiefe  C eine Länge von 8 Fuß (ca. 2,40 m), 4-Fuß-Pfeifenreihen klingen 1 Oktave (8 Töne) höher, 2-Fuß-Pfeifenreihen 2 Oktaven höher.

 

Ein Register mit 2 2/3 Fuß klingt eine Quint  (5 Töne), ein 1-1/3-Fuß-Register eine Terz (3 Töne) höher. Bei unserer Orgel ist eine solche Pfeifenreihe in der „Mixtur“ enthalten 

Die Pfeifen der verschiedenen Register bestehen aus unterschiedlichen Materialien (Zinn, Zink, Holz), haben unterschiedliche Durchmesser und Gestalt (z.B. eng, weit, zylindrische oder konisch zulaufend) und sind oben gedeckt oder offen.

In der Regel werden sie durch die über einen Blasebalg zugeführte Luft wie eine Blockflöte über einen Stimmschlitz („Labium“) angeblasen, die „Posaune“ hat zur Erzeugung eines entsprechend typischen Klangs an dieser Stelle eine Stimmzunge (Metallblättchen).

In der „Mixtur 3-fach“ klingen 3 Pfeifen je angeschlagenem Ton als heller, strahlender Dreiklang,

Ähnlich ist auch das „Cornet 5-fach“ aufgebaut. Die hier verwendeten jeweils 5 Pfeifen je Ton  ergeben für ein solches Solo-Register einen  „Cornet“- (=Zink“-)ähnlichen Klang.

Jedes der Register hat also eine spezifische Lautstärke und Klang-Charakteristik. Beim Spielen lassen sich durch Kombination verschiedener Register vielfältige  Klangfarben einstellen. 

 

Quellen:

Archiv der früheren Gemeinde Spielberg

eigene Aufzeichnungen 

 

 

Dr. Walter Witt